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Margarethe von Wrangell-Habilitationsprogramm
Drei Ulmer Forscherinnen ausgewählt

Universität Ulm

Auch in diesem Jahr war die Universität Ulm im „Margarethe von Wrangell-Habilitationsprogramm für Frauen“ sehr erfolgreich: drei der insgesamt zehn geförderten Wissenschaftlerinnen kommen von der Uni Ulm. Das Landesprogramm unterstützt hervorragende Forscherinnen mit mehrjährigen Stipendien bei der Habilitation, einem wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur Professur. Mit der Habilitation erhalten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht nur die Lehrberechtigung für ihr Fach, sondern auch die Möglichkeit, sich eigenständig und unabhängig auf einem Forschungsgebiet ihrer Wahl zu profilieren. In der Regel werden die ausgewählten Wissenschaftlerinnen über die Dauer von fünf Jahren unterstützt. Drei Jahre davon finanziert das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) des Landes Baden-Württemberg sowie der Europäische Sozialfonds, zwei weitere Jahre trägt die Heimatuniversität die Kosten. In diesem Jahr geht die Auszeichnung an die Batterieforscherin Dr. Montaha Anjass, die Arthroseforscherin Dr. Jana Riegger-Koch sowie die Toxinforscherin Dr. Katharina Ernst.

Dr. Montaha Anjass ist Grenzgängerin und Brückenbauerin zugleich. Die 32-jährige Palästinenserin, die an der Birzeit University (West Bank) ihren Bachelor in Chemie absolviert hat, kam 2013 an die Universität Ulm, um im internationalen Studiengang Advanced Materials ihren Master zu machen. Die Wissenschaftlerin, die fließend Arabisch, Englisch und Deutsch spricht, befasst sich bereits seit ihrer Abschlussarbeit mit einem Forschungsthema von globaler Bedeutung: der Suche nach den Batterien der Zukunft und dafür geeigneter Materialien. In ihrer Doktorarbeit, die sowohl am Institut für Organische Chemie I als auch am Institut für Elektrochemie angesiedelt war, verbindet sie theoretische Fragestellungen zu den Grundlagen elektrochemischer Speicherprozesse mit experimenteller Forschung zu funktionellen Speicher-Designs. Und auch ihr Postdoc-Projekt am Helmholtz-Institut Ulm (HIU) bewegt sich im Grenzgebiet zwischen theoretischer Elektrochemie und der praktischen Frage, wie sich Batteriematerialien mit Hilfe anorganischer Materialien kombinieren lassen. Seit März 2019 ist Dr. Montaha Anjass Juniorgruppenleiterin am HIU. Dort geht sie der Frage nach, wie sich lithiumfreie Speichersysteme, die auf der Grundlage von Natrium und Magnesium basieren, mit Hilfe neuer Elektrodendesigns optimieren lassen. Für ihr Habilitationsprojekt hat sie sich vorgenommen, ein Hybrid-Material aus organischen und anorganischen Substanzen zu entwickeln, das für eine hohe Stabilität und Speicherfähigkeit sorgt und zugleich gut zu recyclen ist. Die Wissenschaftlerin ist verheiratet und hat drei Kinder.

Ein weiteres Habilitationsstipendium aus dem Margarethe von Wrangell-Programm erhält Dr. Jana Riegger-Koch. Die promovierte Humanbiologin befasste sich bereits in ihrer Doktorarbeit mit traumatisch bedingten Knorpelverletzungen. Bei diesem Forschungsprojekt, das in der Sektion Biochemie der Gelenks- und Bindegewebserkrankungen an der Ulmer Universitätsklinik für Orthopädie entstanden ist, ging es um die Testung neuer Therapiekonzepte, die die Entstehung von Arthrose nach massiven Gelenksverletzungen verhindern sollen. In ihrem Habilitationsprojekt möchte die 32-jährige Wissenschaftlerin nun die molekularen Mechanismen aufklären, die dazu führen, dass Knorpelgewebe im Laufe arthrotischer Erkrankungen verknöchert beziehungsweise degeneriert oder sich auflöst. Besonders im Fokus stehen dabei bestimmte molekularbiologische Signalwege, die die degenerative Alterung (Seneszenz) und das Absterben der Knorpelzellen (Nekroptose) steuern, aber auch für regenerative Prozesse verantwortlich sein könnten. Dr. Jana Riegger-Koch, die an der Universität Ulm ihren Bachelor und Master in Biologie gemacht hat, verbindet in ihrem Habilitationsprojekt Fragestellungen aus der Immunologie und Zell- bzw. Matrixbiologie mit Methoden der Gentherapie. Mit Hilfe gentechnischer Methoden möchte sie die mit Knorpelverletzungen einhergehenden immunologischen Prozesse so modulieren, dass die dysfunktionalen Knorpelzellen nicht eliminiert, sondern stabilisiert und gerettet werden können. Aus Interesse am Thema Wissenschafts- und Innovationsmanagement hat Riegger-Koch nach der Promotion zudem ein berufsbegleitendes Studium bei der SAPS absolviert.

Zu den ausgezeichneten Wissenschaftlerinnen, die im Rahmen des Margarethe von Wrangell-Programms bei ihrer Habilitation unterstützt werden, gehört auch Dr. Katharina Ernst. Die 33-jährige Biologin, die am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Ulm forscht, hat über die International Graduate School in Molecular Medicine Ulm promoviert. Die Forscherin, die während ihrer Promotion auch eine Weiterbildung der Deutschen Gesellschaft für Toxikologie zur „Fachtoxikologin GT“ absolviert hat, ist Co-Autorin eines Lehrbuches und hat bereits mehrere Lehrpreise erworben. Ihr Habilitationsprojekt widmet sie unter anderem dem Keuchhustenerreger Bordetella (B.) pertussis und speziellen Toxinen, die dieses Bakterium im Organismus freisetzt. Dieses Toxin stört durch enzymatische Aktivität die wichtigsten Signalwege und ist damit verantwortlich für die schweren mithin sogar tödlichen Krankheitssymptome bei Keuchhusten. Ziel ihrer Arbeit ist es, die pathophysiologischen Mechanismen dieser Krankheitsprozesse aufzuklären und auf dieser Grundlage neuartige pharmakologische Ansätze zu entwickeln. Mögliche Anknüpfungspunkte für zukünftige Therapien könnte Dr. Katharina Ernst schon gefunden haben. Die Wissenschaftlerin konnte bereits zeigen, dass bestimmte Proteinfaltungshelfer, die zellulären Chaperone, eine Schlüsselrolle bei der Aufnahme der Toxine ins Zellinnere spielen. Mit Hilfe des Wrangell-Stipendiums möchte Ernst nun herausfinden, welche körpereigenen Peptide am besten geeignet sind, um krankheitsverursachende Toxine wirkungsvoll und nebenwirkungsarm zu hemmen.

Großer Erfolg für die Universität Ulm

„Ich gratuliere unseren Wissenschaftlerinnen ganz herzlich zu diesem großartigen Erfolg, der einen großen Schritt auf dem Weg zu einer eigenen Professur bedeutet“, sagt Professorin Susanne Biundo-Stephan. Die Leiterin des Instituts für Künstliche Intelligenz ist Gleichstellungsbeauftragte der Universität Ulm. Zwar hat sich der Anteil der Professorinnen an den Landeshochschulen von 2003 bis 2018 von 11 auf 22 Prozent erhöht, doch sind Frauen auf solchen akademischen Spitzenpositionen noch immer stark unterrepräsentiert. Das Margarethe von Wrangell-Habilitationsprogramm soll dabei helfen, dieses Missverhältnis langfristig auszugleichen. „Die Universität Ulm leistet mit ihren hervorragenden Nachwuchswissen-schaftlerinnen hierzu einen ausgezeichneten Beitrag: Allein in den Jahren 2019 und 2020 gingen in diesem hochkompetitiven Auswahlverfahren vier beziehungsweise drei der zehn landesweit vergebenen Stipendien nach Ulm,“ so Biundo-Stephan.

Das Margarethe von Wrangell-Habilitationsprogramm

Das Landesprogramm zur Förderung von Wissenschaftlerinnen auf dem Weg zur Professur wurde benannt nach Margarethe von Wrangell (1877-1932), der ersten ordentlichen Professorin an einer deutschen Universität. Die Botanikerin und Chemikerin erhielt 1923 einen Ruf auf die Professur für Pflanzenernährungslehre an der landwirtschaftlichen Hochschule in Hohenheim, der heutigen Universität Hohenheim. Seit 1997 schreibt die Landesregierung das nach ihr benannte Programm aus, wobei in Baden-Württemberg bis zu zehn Förderzusagen im Jahr gemacht werden. Erklärtes Ziel ist es, strukturell bedingten Nachteilen von Frauen in der Wissenschaft entgegenzutreten.

Text und Medienkontakt: Andrea Weber-Tuckermann

Dr. Montaha Anjass
Dr. Montaha Anjass – im Bild bei ihrer Arbeit im Helmholtz Institut Ulm (HIU) – forscht zu den Batteriematerialen der Zukunft (Foto: Hajar Khalil)
Dr. Jana Riegger-Koch
Dr. Jana Riegger-Koch sucht nach neuen Wegen, um die Entstehung von Arthrose nach traumatischen Knorpelverletzungen zu verhindern (Foto: Elvira Eberhardt / Uni Ulm)
Dr. Katharina Ernst
Die Toxinforscherin Dr. Katharina Ernst will die pathophysiologischen Mechanismen des Keuchhusten-Erregers aufdecken, um Ansatzpunkte für neue Therapien zu finden (Foto: Privat)